Unten ist das Safewards Modell in der einfachsten Form abgebildet. Es fasst die Faktoren zusammen, die die Häufigkeit von Konflikten und Eindämmungsversuchen auf Stationen beeinflussen, und erklärt, warum auf manchen Stationen zehn mal häufiger Konflikte vorkommen als auf anderen, auch wenn sie sich in derselben Klinik befinden und gleichartige Patienten haben. Unter Konflikt verstehen wir alle Arten von Patientenverhalten, das ihre eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderen gefährdet (Gewalt, Suizid, Selbstverletzung, Entweichungsversuche etc.), und unter Eindämmung verstehen wir alle Maßnahmen seitens der Mitarbeiter, um solchen Konflikten vorzubeugen oder deren negative Folgen einzudämmen (z. B. durch Bedarfsmedikation, spezielle Überwachung, Isolierung usw.). Unser Modell zeigt eine Reihe von Ursprungsfaktoren auf, die zu bestimmten Krisenherden führen und möglicherweise einen Konflikt auslösen können. Das Modell weist auch darauf hin, dass Eindämmung eine dynamische, reziproke Wirkung auf Konflikte haben kann, und dass Eindämmungsversuche manchmal eher einen Konflikt zum Ausbruch bringen, als ihn erfolgreich zu verhindern. Schließlich zeigt das Modell, dass Pflegepersonen die Häufigkeit von Konflikten und Eindämmungsversuchen auf ihrer Station auf jeder Ebene beeinflussen können: durch Abfedern oder Aufheben von Ursprungsfaktoren; durch das Verhindern von daraus resultierenden Krisenherden; durch die Unterbrechung der Verbindung zwischen Krisenherd und Konflikt, z.B. wenn der Krisenherd entsteht, doch nicht zu einem Konfliktfall führt; durch bewussten Verzicht auf Eindämmung in Fällen, wo sie kontraproduktiv wäre; und durch Sicherstellen, dass Eindämmungsversuche nicht zu weiteren Konflikten führen.
Aus dem vereinfachten Diagramm oben geht nicht hervor, dass es sechs Ursprungsfaktoren gibt. Jeder dieser Faktoren ist mit unterschiedlichen Krisenherden verbunden. Daraus ergeben sich wiederum verschiedene Lösungen, wie das Stationspersonal eingreifen kann, um mehr Sicherheit zu gewähren und Eindämmungsmaßnahmen zu reduzieren. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Ursprungsfaktoren:
Ursprungsfaktoren |
Krisenherde |
Mitarbeitermodifikatoren |
Stationsteam oder interne Struktur: Stationsregeln; Routineabläufe; Effizienz; Sauberkeit/Ordnung; Ideologie; Gepflogenheiten & Praxis
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Ablehnung von Anträgen; Aufforderungen durch Mitarbeiter; Grenzen setzen; schlechte Nachrichten; Ignorieren |
Ängste und Frustration des Personals; moralische Verpflichtung; psychologisches Verständnis; Teamwork & Beständigkeit; fachliche Fähigkeiten; positive Wertschätzung |
Räumliche Umgebung: Geschlossene Tür; Qualität; Isolierungsmöglichkeiten; Intensivstationen oder Entspannungs-/Snoozle-Räume |
Unübersichtlichkeit; nicht einsehbare Bereiche; private Bereiche |
Fürsorglich wachsam & aufmerksam; überprüfende Routine |
Krankenhausexterne Faktoren: Besucher; Angehörige & familiäre Spannungen, geplanter/bevorstehender Umzug, Abhängigkeit & Institutionalisierung, Anforderungen & häusliche Verpflichtungen
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Schlechte Nachrichten; häusliche Krisen; Beendigung einer Beziehung oder Verlust der Wohnung; Streit |
Einbeziehung von Angehörigen/Betreuern; Familientherapie; aktive Unterstützung des Patienten |
Patientengruppe oder Patienteninteraktionen: |
Versammlungen/Gedränge/Gemeinschaftsaktivitäten; Schlangestehen/Warten/Lärm; Mobbing/Diebstahl/Sachbeschädigung |
Erklärung/Information; Rollenbilder; Patientenschulungen; Vorsorge/ Gefahrenminimierung; Anwesenheit & aktive Präsenz |
Patienteneigenschaften oder Symptome & demografische Aspekte: |
Verschlimmerungen; Unabhängigkeit/Identität; Akuität/Schweregrad |
Pharmakotherapie; Psychotherapie & Funktionsanalysen; Pflegerische Unterstützung & Interventionen |
Regulatorische Rahmenbedingungen oder externe Struktur: rechtlicher Rahmen; staatliche Richtlinien; Beschwerden; Einsprüche; Strafverfolgung; Klinikregeln |
Unfreiwillige Unterbringung; Ablehnung von Einsprüchen; abgelehnte Beschwerden; Zwangsbehandlung |
Korrekte Verfahrensweise; Gerechtigkeit; Respektieren von Rechten; Weitergabe von Informationen, Unterstützung bei Einsprüchen; Rechtmäßigkeit |
Die Tabelle oben fasst einen Großteil der Informationen über die verschiedenen Arten zusammen, wie Konflikte und Eindämmung aus ganz unterschiedlichen Ursprungsfaktoren entstehen. Hier nur ein Beispiel: Die Regel, dass Patienten keine scharfen Gegenstände in ihrem Besitz haben dürfen, solange sie auf der Station sind, kann dazu führen, dass ein Patient einen solchen Gegenstand haben möchte und dies vom Stationspersonal abgelehnt wird. Erfolgt diese Ablehnung auf unprofessionelle und respektlose Art vor dem Hintergrund, dass bereits vorher widersprüchliche Antworten gegeben wurden, kann dies zu verbaler Aggression beim Patienten oder Schlimmerem führen. Bei „Interne Struktur“ haben die Pflegefachpersonen einen gewissen Einfluss auf diesen Ursprungsfaktor und daher auch auf die Wahrscheinlichkeit, ob sich Krisenherde entwickeln und ob diese zu einem herausfordernden Vorfall führen. Die räumliche Umgebung ist für das Stationsteam weniger beeinflussbar. Doch wie sie in diesem Umfeld ihre Pflege- und intensive Betreuungsarbeit leisten, steuern sie größtenteils selbst. Was sich außerhalb der Klinik im Netzwerk von Freunden und Angehörigen des Patienten abspielt, ist durch die Pflegefachpersonen zwar nicht veränderbar, doch sie können sich über potenzielle Stressfaktoren, Spannungen und Anforderungen kundig machen und dann schnell eingreifen, wenn diese akut oder belastender werden. Genauso können Pflegepersonen darauf einwirken, wie die Patienten miteinander umgehen und wie sie aufeinander reagieren, nämlich, indem sie einen positiven und nicht wertenden Kontakt auf unterschiedliche Arten fördern. Das Stationsteam hat keine Möglichkeit, sich die Symptome oder die Sinnestäuschungen der Patienten auszusuchen. Doch es kann für eine gute Behandlung in einem unterstützenden und stressarmen Umfeld sorgen, was einer schnellen Genesung förderlich ist. Eine effektive und effiziente Behandlung der psychischen Erkrankung reduziert Konflikte. Letztendlich kann der rechtliche Rahmen bezüglich Zwangsmaßnahmen bei psychischer Erkrankung nicht verändert werden. Daher hat die Art, wie er von Pflegefachpersonen genutzt und in welchem Maße Bestimmungsgewalt eingesetzt wird, einen signifikanten Einfluss darauf, wie viele Konflikte entstehen.
Aus dem Modell geht klar hervor, dass eine kleine Einzelmaßnahme allein nicht alle Probleme löst und nicht alle Konflikte und Eindämmungsversuche aus der Welt schafft.
Erforderlich ist ein Einsatz von spezifischen Interventionen an ganz vielen verschiedenen Fronten. Selbst dann stellen einige der Ursprungsfaktoren für Konflikte unüberwindliche Realitäten dar, so wie psychische Erkrankung, Gesetze usw. Trotzdem hat das Pflegepersonal durch die Art, wie es auf diese und andere Ursprungsfaktoren für Konflikte reagiert, erhebliche Macht und Einflussmöglichkeiten auf die Häufigkeit von Konflikten und deren Eindämmung.